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Ich wollte ein Zuhause, du wolltest ein Haus

Warum es in Beziehungen oft nicht an den Plänen scheitert, sondern an der Bedeutung dahinter.

„Kommst du bitte?“
„Wegen was?“
„Wegen der Fliesen! Ich hab dir vor drei Tagen gesagt, dass wir uns endlich entscheiden müssen. Die Lieferzeit ist sonst zu lang.“
„Ich komm gleich. Ich schau nur kurz nach der Wäsche.“
„Du schiebst das jetzt seit Wochen auf! Ich kann das nicht alles allein entscheiden!“

Stille.

In der Theorie wollten sie dasselbe: ein Haus bauen. Ein Nest für sich, die wohlige behütete, erfüllte, geschützte, harmonische, gemeinsame Liebesbeziehung. Eine Basis für ihr gemeinsames Leben. Doch in der Praxis steht zwischen ihnen inzwischen mehr als eine Leiter, ein Betonmischer und ein Big Bag 8/16er-Zierkies. Da steht mittlerweile ein ganzes Haus, inklusive elektrischer Doppelgarage und 500qm Gartenfläche. Unendlich viele unausgesprochene Sätze zwischen ihnen, Mikroverletzungen im Herzen und deutliche Risse auf der „schöner Schein“ Oberfläche. Unter einem Dach aus leiser Entfremdung.

Denn was passiert, wenn nur einer so wirklich im gemeinsamen Hausprojekt richtig aufgeht? Fühlt sich der andere dann irgendwann nur noch wie ein Projektmanager ohne Feierabend?

Hausbau: Wenn die Liebe zwischen Baustelle, Bausparvertrag und Beige-Tönen verloren geht

So viele Paare kommen irgendwann an diesen Punkt: Der Traum vom Eigenheim wird zur Kraftprobe für die Beziehung. Anfangs war da Aufregung. Pinterest-Ordner, die ersten Besichtigungen, das Kribbeln bei der Kreditzusage. Ein „Wir machen das jetzt“. Ein gemeinsamer Blick in die Zukunft.

Doch spätestens nach dem dritten Termin mit dem Elektriker, nach Wochenendbesichtigungen von Waschtischarmaturen, überraschenden Nachzahlungen für Bodenplatten und stundenlangen Diskussionen über Wandfarben in 23 Abstufungen von Greige ist bei vielen Paaren nicht mehr viel von der Leichtigkeit übrig. Oder von der Liebe.

Die Gespräche drehen sich nur noch ums Haus. Der Fokus liegt auf Fertigwerden, Budget einhalten, Entscheidungen treffen. Oft sind es die Frauen, manchmal auch die Männer, die irgendwann sagen: „Ich kann das nicht mehr. Ich möchte endlich wieder etwas mit dir machen, was nichts mit Wandgestaltung zu tun hat.“

Wenn das Haus alles wird – und das Leben zu wenig

Viele Paare erleben in dieser Phase eine Form von emotionalem Verhungern. Die Beziehung bekommt kaum noch Pflege. Gemeinsame Zeit wird funktional: Absprachen, Erledigungen, To-do-Listen. Essen gehen, Kurzurlaube, einfach mal wieder zusammen tanzen? Fehlanzeige. Früher selbstverständlich, heute Luxus.

Das Konto ist leerer, die Nerven auch. Und die 300.000 Euro Schulden, die früher beim Planspiel „Zukunft“ noch irgendwie nach Abenteuer klangen, liegen plötzlich jede Nacht mit im Bett. Manche kommen mit dieser Art Druck gut zurecht. Andere hingegen überhaupt nicht. Was dabei selten ausgesprochen wird: Dass zwei Menschen sehr unterschiedlich mit solch einer Belastung umgehen können und dass genau diese Unterschiedlichkeit die Beziehung langsam, fast unbemerkt, auseinanderziehen kann.

Es ist ein Unterschied, ob man gemeinsam ein Haus baut oder ob einer ein Haus baut und der andere versucht, in der Zwischenzeit irgendwie nicht zu verschwinden.

„Du willst es doch auch, oder?“

Nicht selten steckt hinter all dem eine fundamentale Schieflage in der Vision: Einer wollte dieses Haus als Lebenstraum. Als Krönung, als Zeichen für „Wir schaffen das gemeinsam“. Für den anderen war es eher ein „Ja, schon schön. Aber wenn’s nicht klappt, bin ich auch glücklich“.

Und oft steckt noch mehr dahinter: Für viele ist es auch ein finanzielles Argument – Miete gilt als rausgeworfenes Geld, Eigentum als sinnvolle Investition. „Wenn wir das alles abbezahlt haben, dann ist endlich mehr Geld zum Leben da“ – so lautet das Versprechen. Aber was dabei gerne übersehen wird: Mit der Miete bezahlt man nicht nur das Dach über dem Kopf, sondern auch ein Stück Sorglosigkeit.

In einer Mietwohnung ruft man bei einem Wasserschaden den Vermieter an – im Eigentum ruft man den Klempner, den Dachdecker und im Zweifel auch die Bank. Eigentum bedeutet Verantwortung, rund um die Uhr. Und dann ist da noch die menschliche Komponente: Wenn der Nachbar sich als echter Vollvogel entpuppt, wird aus dem Traumhaus schnell eine tägliche Stressquelle. Da stellt sich leise die Frage: Was ist mein innerer Frieden wert?

Diese Unterschiede in der emotionalen Bedeutung werden selten thematisiert. Aus Angst, nicht loyal zu wirken. Aus schlechtem Gewissen. Oder aus dem Druck heraus, nicht die gemeinsame Entscheidung infrage zu stellen.

Doch gerade dieses Schweigen schafft Distanz. Wenn die eine Seite abends noch Möbel vorschlägt und der andere nur noch auf dem Sofa sitzt, erschöpft vom Tag, kann sich das aneinander vorbei sehr laut anfühlen. Auch wenn niemand schreit.

Beziehungspflege nach dem Bauplan? Lieber Herz als Handbuch.

Hausbau ist kein Beziehungsretter. Im Gegenteil: Er bringt ans Licht, was vorher schon schief lag oder lässt selbst stabile Verbindungen ins Wanken geraten. Wer nicht aufpasst, hat am Ende zwar ein schönes Wohnzimmer, doch Gespräche gibt es keine mehr darin.

Es braucht deshalb bewusste Gegenbewegung. Hier sind meine Top 4 Empfehlungen, die ihr sofort umsetzen könnt, um eure Beziehung wieder zu beleben, ganz ohne großes Brimborium, dafür mit großer Wirkung:

  • Geht raus. Zusammen. Ohne Zweck. Kein Baumarkt, kein Einrichtungshaus. Sondern Eis essen, spazieren, Kino. Einfach, um euch wieder als Paar zu begegnen.

Für weitere Ideen und Möglichkeiten (für eure gelungene Paarzeit), ohne riesengroßes Tamtam, dafür ganz in eurer Nähe und daher absolut machbar, schaut gerne bei meinen Beiträgen vorbei:

Und wenn eure Stadt (noch) nicht dabei ist: Lasst euch inspirieren von meinen ABC-Dating-Ideen. Für frischen Wind im Herzen, ganz ohne Renovierungsstress.

  • Sprecht ehrlich über das Geld. Ja, es ist (meistens) weniger da als früher. Aber es ist okay, das auszusprechen. Vielleicht gelingt es euch ein paar Prioritäten neu zu sortieren und euch als Paar dabei einzuplanen.
  • Gebt euch gegenseitig Raum für Ambivalenz. Vielleicht liebt einer das Haus mehr als der andere. Vielleicht hätte sich einer eine Wohnung mit Stadtblick gewünscht. Es darf beides nebeneinander stehen. Es macht euch menschlich, nicht falsch.
  • Fragt einander: Was ist für dich eigentlich Zuhause? Was bedeutet zu Hause sein für dich? Die Antworten könnten überraschend verschieden sein. Und genau deshalb so kostbar.

Fazit: Nicht jedes Dach bedeutet Sicherheit. Nicht jede Wand schafft Nähe.

Beziehungen brauchen Raum, im Herzen, nicht nur im Grundriss. Ein Haus kann ein wunderbares (Lebens-)Projekt sein. Dabei ist es natürlich kein Garant für Glück. Wenn die Diskussionen über Wandfarben, Gartengestaltung, Beleuchtungssysteme, weiße Kipp-Wippschalter und ähnliches wichtiger werden, als die Gespräche über das was ihr euch eigentlich wünscht, wonach ihr euch sehnt, wovon ihr träumt, wie ihr euch fühlt, ist es allerhöchste Zeit, kurz innezuhalten.

Vielleicht fangt ihr wieder an, euch zu fragen: „Worauf bauen wir eigentlich?“

Denn ein echtes Zuhause entsteht nicht durch Fliesen, Spachtelmasse und Zement, sondern ausschließlich durch menschliche Verbindung. Immer wieder. Mit jedem Blick, jedem Satz, jedem echten Zuhören.

Und falls euch das schwerfällt: Paarberatung ist keine Niederlage. Sondern eine Entscheidung für das, was euch wirklich wichtig ist.

Sie kann dabei helfen, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, ohne Schuldzuweisungen: ehrlich, klar und mit dem Blick nach vorn. In der Beratung entsteht ein Raum, in dem ihr beide euch wieder begegnen könnt: jenseits der Baustellen, jenseits der Rechnungen, jenseits der To-do-Listen.

Es geht nicht darum, wer recht hat. Sondern darum, was euch verbindet. Vor allem auch darum, wie ihr wieder dahin zurückfindet, wo Nähe entsteht, eben nicht durch Einigkeit, sondern durch echtes Verstehen.

Carina Neuner
Paarberaterin mit Blick für das Wesentliche.
Für Lippstadt, Umgebung, nur für dich und euch als Paar.